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ARTISTIC STEPS
Immanuel Rohringer & Frank Massholder

11. Juli - 31. August 2024

Zur Eröffnung der Ausstellung am Donnerstag | 11. Juli | 19 -22 Uhr
laden wir Sie und Ihre Freunde herzlich ein.

Galerie Z22
Zähringerstr. 22
10707 Berlin


Artistic Steps 
Immanuel Rohringer und Frank Massholder in der Galerie Z22

Die Frage nach der Kunst darf, muss und soll immer wieder gestellt werden: „Ist das Kunst, oder kann das weg?“ Farbkleckse auf dem Atelierboden, Fußabdrücke, Spuren von Schuhsohlen … hätte man eigentlich auch sauber machen können. Und doch – jetzt wird das, was so ganz nebenbei bei der hehren Kunstproduktion auch noch entstanden ist, in einer Ausstellung zur Kunst erhoben. Von der Horizontalen, vom Boden an die Wand gebracht, und in zwei künstlerischen Zugängen gegenübergestellt. Zwei Positionen melden sich zu Wort in einem seit Beginn der Moderne mit verschiedensten Mitteln geführten Gespräch über Kunst: Ist schon die Auswahl eines vorgefundenen Objekts ein künstlerischer Akt, wie bei Duchamp? Muss Kunst nicht von Können kommen, dem Genie des Künstlers entspringen, der schwer zu imitierenden Kunstfertigkeit der Hand, des Pinsels, des Blicks? Darf sie von anderen Beteiligten in einem gemeinsamen Prozess mitgestaltet werden? Und wann genau erhält eine Leinwand voller zufälliger Spuren und Farbspritzer – wie bei Jackson Pollock’s „Drippings“ oder Karin Sander‘s „Gebrauchsbildern“ – die Aura eines Kunstwerks?

Immanuel Rohringer und Frank Massholder widmen sich in ihren Antworten auf solche Fragen der zufälligen Schönheit von Fußböden, in großen, über Jahre laufenden, und bis heute unabgeschlossenen Serien. Während der bildende Künstler Rohringer seine Motive in experimental und offen angelegten Prozessen erst entstehen lässt, findet der Kunstfotograf und Galerist Massholder sie bei den Atelierbesuchen seiner Künstler*innen vor.

Rohringer begann seine Serie „Artistic Steps“ 2016 (1/20), indem er bei einem Open-Call des Kreuzberg-Pavillons seine unbemalte Leinwand wie einen Tanzboden im Eingangsbereich auslegte, auf der alle Besucher*innen zunächst ihre Spuren hinterließen. Bei einem weiteren Call wurde das Werk noch im Frottage-Verfahren „geputzt“, und neue Spuren traten hinzu. Im Laufe der Zeit experimentierte Rohringer weiter, mit verschiedenen Umgebungen und Zeiträumen, vom Laufsteg bis zum eigenen Atelier, und vom kurzen Event bis zur monatelangen Nutzung. Die Arbeiten, die dabei entstanden, weisen ganz unterschiedliche Anteile von bewusster Gestaltung und Hingabe ans Zufällige auf. Gemeinsam ist allen diesen verdichteten Zeitdokumenten, dass sie nie von der Hand des einen Künstlers geschaffen wurden, sondern – nicht ohne einen Blick in Richtung Joseph Beuys zu werfen –, gleichsam alle jene zu Künstler*innen macht, die auf der Fläche ihre Spuren hinterlassen haben.

Massholder wiederum nennt seine Entdeckungen „konkrete Zufälle“, und „sammelt“ seit Jahren konsequent „bewusste Aufnahmen von zufällig geschaffenen Objekten“. Die Böden von Künstler*innen-Ateliers sind, in seinen eigenen Worten „Momentaufnahmen in die innere Landschaft eines Künstlers im Laufe der Zeit […] Sie sind eine Sammlung von Bewegungen, Farben, Spritzern, Inspirationsstücken aus jedem einzelnen Werk, die ungewollt das Werk des Künstlers als Ganzes dokumentieren“. Für ihn sind solche Atelierfußböden „Leinwände, die uns durch die Zeit führen und uns vielleicht einen seltenen Blick auf den Künstler in seiner chaotischsten und doch vollständigsten Form gewähren“. Er hat daraus ein umfangreiches Langzeitprojekt geschaffen, in dem es immer wieder auch zu spannenden Kollaborationen kommt.

Und so scheint es, als erwiesen beide Künstler einem eigenartigen Phänomen Referenz, das sich einstellen kann, wenn man, beispielsweise auf einer Biennale, einen ganzen Tag mit Kunst zugebracht hat: Man tritt nach draußen, in den Alltag zurück, und alles hat die Aura eines Kunstwerks bekommen. Kunst hat die Eigenschaft, unseren Blick auf die einfachen, unscheinbarsten Gegenstände unseres Lebens zu verändern – und plötzlich nehmen wir alles, auch Flecken und Kleckse auf Fußböden, wieder mit der Freude unserer frühesten, kindlichen Entdeckungen wahr.

Dr. Almut Hüfler, 2024